Johannes 9
Textbibel 1899
1Und als er dahinzog, sah er einen von Geburt an blinden Menschen. 2Und seine Jünger fragten ihn: Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, daß er blind geboren ward? 3Jesus antwortete: keines von beiden; sondern es sollten die Werke Gottes an ihm offenbar werden. 4Wir müssen schaffen die Werke dessen, der uns gesandt hat, so lange es Tag ist. Es kommt eine Nacht, wo niemand schaffen kann. 5So lange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt. 6Da er dies gesagt, spie er auf den Boden und machte mit dem Speichel einen Teig, und strich ihm den Teig auf die Augen und sagte zu ihm: 7gehe hin, wasche dich im Teiche von Siloam, was übersetzt heißt: Abgesandter. Da gieng er hin und wusch sich, und gieng sehend davon. 8Die Nachbarn nun und die ihn zuvor als Bettler kannten, sagten: ist dies nicht der, der da saß und bettelte? 9Die einen sagten: ja er ist es; die andern: nein, er ist ihm nur ähnlich. Er selbst sagte: ich bin es. 10Da sagten sie zu ihm: wie wurden dir denn die Augen aufgethan? 11Er antwortete: der Mensch mit Namen Jesus hat einen Teig gemacht und mir die Augen bestrichen, und zu mir gesagt: gehe zum Siloam und wasche dich. Da gieng ich hin und wusch mich und ward sehend. 12Und sie sagten zu ihm: wo ist der? Sagt er: ich weiß es nicht.

13Sie führen ihn zu den Pharisäern, den Blindgewesenen; 14es war aber Sabbat an dem Tage, da Jesus den Teig machte und ihm die Augen öffnete. 15Wiederum fragten ihn auch die Pharisäer, wie er sehend geworden. Er aber sagte zu ihnen: er hat mir einen Teig auf die Augen gelegt, und ich wusch mich und bin sehend. 16Da sagten einige von den Pharisäern: dieser Mensch ist nicht von Gott, da er den Sabbat nicht hält; andere sagten: wie kann ein sündiger Mensch solche Zeichen thun? Und es war Zwiespalt unter ihnen. 17Da sagten sie wiederum zu dem Blinden: Was sagst du von ihm, darum daß er dir die Augen aufgethan? Er aber sagte: daß er ein Prophet ist.

18Die Juden glaubten nicht von ihm, daß er blind war und wieder sehend geworden, bis sie die Eltern des Sehendgewordenen gerufen, 19und sie fragten dieselben: ist dies euer Sohn, von dem ihr sagt, daß er blind geboren ward? Wie kommt er nun zum Sehen? 20Da antworteten seine Eltern und sagten: wir wissen, daß dies unser Sohn ist und daß er blind geboren ist. 21Wie es aber kommt, daß er nun sehend ist, wissen wir nicht, oder wer ihm die Augen geöffnet hat, wir wissen es nicht; fraget ihn selbst, er ist mündig, er soll für sich selbst reden. 22So sprachen seine Eltern, weil sie die Juden fürchteten; denn schon waren die Juden übereingekommen, daß, wenn einer ihn als Christus bekenne, er aus der Synagoge ausgeschlossen werden soll. 23Darum sagten seine Eltern: er sei mündig, man solle ihn selbst fragen.

24So riefen sie den Menschen zum zweitenmale, der blind gewesen, und sagten zu ihm: gib Gott die Ehre; wir wissen, daß dieser Mensch ein Sünder ist. 25Da antwortete jener: ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht; eines weiß ich, daß ich blind war und jetzt sehe. 26Da sagten sie zu ihm: was hat er dir gethan? wie hat er dir die Augen geöffnet? 27Er antwortete ihnen: ich habe es euch schon gesagt, und ihr habt nicht darauf gehört. Was wollt ihr es noch einmal hören? Wollt ihr etwa auch seine Jünger werden? 28Und sie schmähten ihn und sagten: du bist sein Jünger, wir aber sind Moses' Jünger. 29Wir wissen, daß zu Moses Gott geredet hat; von diesem aber wissen wir nicht, wo er her ist. 30Antwortete der Mensch und sagte zu ihnen: darin liegt eben das Verwunderliche, daß ihr nicht wisset, wo er her ist, und mir hat er doch die Augen aufgethan. 31Wir wissen, daß Gott nicht auf Sünder hört, sondern wenn einer gottesfürchtig ist und seinen Willen thut, den hört er. 32Von Urzeit ist es unerhört, daß einer einem Blindgeborenen die Augen aufgethan. 33Wäre dieser nicht von Gott, so vermöchte er nichts zu thun. 34Antworteten sie und sagten zu ihm: du bist ganz in Sünden geboren und willst uns belehren? und sie warfen ihn hinaus.

35Jesus hörte, daß sie ihn hinausgeworfen, und da er ihn traf, sprach er: du glaubst an den Sohn des Menschen? 36Antwortete jener und sagte: wer ist es denn, daß ich an ihn glauben möge? 37Sagte Jesus zu ihm: du hast ihn gesehen; ja der mit dir spricht, der ist es. 38Er aber sagte: ich glaube, Herr, und warf sich vor ihm nieder. 39Und Jesus sagte: zum Gericht bin ich in diese Welt gekommen, damit die da nicht sehen, sehen, und die da sehen, blind werden. 40Das hörten die Pharisäer, die bei ihm waren, und sagten zu ihm: sind wir etwa auch blind? 41Sagte Jesus zu ihnen: wenn ihr blind wäret, hättet ihr nicht Sünde. Nun aber sagt ihr: wir sehen. Es bleibt bei eurer Sünde.

Textbibel des Alten und Neuen Testaments, Emil Kautzsch, Karl Heinrich Weizäcker - 1899

Bible Hub
John 8
Top of Page
Top of Page