Johannes 8
Textbibel 1899
1Jesus aber gieng auf den Ölberg. 2In der Frühe aber erschien er wieder im Tempel, und das ganze Volk kam zu ihm, und er setzte sich und lehrte sie. 3Es bringen aber die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau zu ihm, die beim Ehebruch ergriffen war, 4und stellten sie vor und sagten zu ihm: Meister, diese Frau ist auf der That im Ehebruch ergriffen worden. 5Im Gesetze aber hat uns Moses befohlen, solche zu steinigen; was sagst nun du? 6Dieses aber sagten sie ihn zu versuchen, damit sie eine Anklage gegen ihn hätten. Jesus aber bückte sich und schrieb mit dem Finger auf den Boden. 7Wie sie dabei beharrten ihn zu fragen, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: wer unter euch ohne Sünde ist, werfe zuerst einen Stein auf sie. 8Und abermals bückte er sich und schrieb auf den Boden. 9Sie aber, da sie das hörten, giengen sie hinaus einer nach dem andern, die ältesten voran, und Jesus blieb allein zurück mit dem Weibe, wie sie da stand. 10Jesus aber richtete sich auf und sagte zu ihr: Weib, wo sind sie? hat dich keiner verurteilt? 11Sie aber sagte: keiner, Herr. Jesus aber sagte zu ihr: so verurteile auch ich dich nicht; gehe hin und sündige von jetzt an nicht mehr.

12Wiederum redete Jesus zu ihnen und sagte: ich bin das Licht der Welt; wer mir folgt, wird nimmermehr in der Finsternis wandeln, sondern er wird das Licht des Lebens haben. 13Da sagten die Pharisäer zu ihm: du zeugst über dich selbst; dein Zeugnis ist nicht wahr. 14Antwortete Jesus und sagte zu ihnen: Auch wenn ich über mich selbst zeuge, ist mein Zeugnis wahr, weil ich weiß, woher ich gekommen bin und wo ich hingehe. Ihr aber wisset nicht, woher ich komme oder wo ich hingehe. 15Ihr richtet nach dem Fleisch, ich richte niemand. 16Und wenn ich richte, so ist mein Gericht wahrhaftig, weil ich nicht allein bin, sondern mit mir ist der, der mich gesandt hat. 17Auch in eurem Gesetze aber steht geschrieben, daß das Zeugnis zweier Menschen wahr ist. 18Ich bin Zeuge über mich, weiter ist der Vater, der mich gesandt hat, Zeuge über mich. 19Da sagten sie zu ihm: wo ist dein Vater? Antwortete Jesus: ihr kennet weder mich noch meinen Vater. Wenn ihr mich kenntet, so kenntet ihr auch meinen Vater. 20Diese Worte sprach er im Schatzhause lehrend im Tempel; und niemand griff ihn, weil seine Stunde noch nicht gekommen war.

21Da sprach er wiederum zu ihnen: Ich gehe hin, dann werdet ihr mich suchen; doch ihr werdet in eurer Sünde sterben; wo ich hingehe, könnet ihr nicht hinkommen. 22Da sagten die Juden: Er will sich doch nicht selbst töten, daß er sagt: wo ich hingehe, könnet ihr nicht hinkommen? 23Und er sagte zu ihnen: ihr seid von drunten her, ich bin von droben her. Ihr seid aus dieser Welt, ich bin nicht aus dieser Welt. 24So habe ich euch denn gesagt, daß ihr in euren Sünden sterben werdet: denn wenn ihr nicht glaubt, daß ich es bin, werdet ihr in euren Sünden sterben. 25Da sagten sie zu ihm: wer bist du? Sagte Jesus zu ihnen: Fürs erste, was ich zu euch sage: 26viel habe ich über euch zu sagen und zu richten. Aber der mich gesandt hat, ist wahrhaftig, und ich, was ich von ihm gehört habe, das rede ich in die Welt. 27Sie verstanden nicht, daß er ihnen vom Vater sprach. 28Da sagte Jesus: wenn ihr den Sohn des Menschen erhöht habt, dann werdet ihr erkennen, daß ich es bin, und daß ich nichts von mir selbst thue, sondern so rede, wie mich der Vater gelehrt hat. 29Und der mich gesandt hat, ist mit mir. Er hat mich nicht allein gelassen, weil ich allezeit das thue, was ihm gefällig ist. 30Da er dieses redete, da wurden viele gläubig an ihn.

31Da sagte Jesus zu den Juden, die zum Glauben an ihn gekommen waren: wenn ihr an meinem Worte haltet, so seid ihr wahrhaft meine Jünger, 32und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. 33Sie entgegneten ihm: wir sind Abrahams Samen, und sind nie jemands Knechte gewesen. Wie kannst du sagen: ihr sollt frei werden?

34Antwortete ihnen Jesus: wahrlich, wahrlich, ich sage euch: jeder, der die Sünde thut, ist der Sünde Knecht. 35Der Knecht aber hat seinen Platz nicht für immer im Hause, der Sohn aber bleibt für immer. 36Wenn euch nun der Sohn frei macht, dann werdet ihr wirklich frei sein. 37Ich weiß, daß ihr Abrahams Same seid; allein ihr sucht mich zu töten, weil mein Wort euch nicht eingeht. 38Was ich bei dem Vater gesehen habe, rede ich; so thut auch ihr, was ihr vom Vater gehört habt.

39Sie antworteten ihm: unser Vater ist Abraham. Sagt Jesus zu ihnen: seid ihr Abrahams Kinder, so thut die Werke Abrahams. 40Nun aber suchet ihr mich zu töten, einen Menschen, der ich euch die Wahrheit geredet, die ich von Gott gehört habe. Das hat Abraham nicht gethan. 41Ihr thut die Werke eures Vaters. Sagten sie zu ihm: wir sind nicht aus Unzucht entstanden, wir haben nur einen Vater, Gott.

42Sagte Jesus zu ihnen: wenn Gott euer Vater wäre, würdet ihr mich lieben; denn ich bin von Gott ausgegangen und komme von ihm. Nicht also, daß ich von mir selbst gekommen wäre, sondern er hat mich gesandt. 43Warum versteht ihr meine Rede nicht? Weil ihr mein Wort nicht hören könnt. 44Ihr habt zum Vater den Teufel, und eures Vaters Gelüste wollt ihr vollbringen. Der war ein Menschenmörder von Anfang, und ist nicht in der Wahrheit bestanden, weil keine Wahrheit in ihm ist. Wenn er die Lüge redet, redet er aus seinem Eigentum, weil er ein Lügner ist und der Vater davon. 45Ich aber, weil ich die Wahrheit sage, glaubet ihr mir nicht. 46Wer von euch kann mich einer Sünde zeihen? Wenn ich Wahrheit rede, warum glaubet ihr mir nicht? 47Der aus Gott ist, hört die Worte Gottes. Darum hört ihr es nicht, weil ihr nicht aus Gott seid.

48Die Juden hoben an und sprachen zu ihm: sagen wir nicht recht, daß du ein Samariter bist und einen Dämon hast? 49Antwortete Jesus: ich habe keinen Dämon, sondern ich ehre meinen Vater, und ihr schmähet mich. 50Ich aber sorge nicht für meinen Ruhm. Es ist einer, der dafür sorgt und der richtet. 51Wahrlich, wahrlich ich sage euch, wenn einer mein Wort hält, wird er nimmermehr den Tod schauen in Ewigkeit. 52Sagten zu ihm die Juden: nun haben wir es sicher, daß du einen Dämon hast. Abraham ist gestorben und die Propheten, und du sagst: wenn einer mein Wort hält, wird er nimmermehr den Tod kosten in Ewigkeit. 53Bist du etwa mehr als unser Vater Abraham, der doch gestorben ist? Auch die Propheten sind gestorben. Zu was machst denn du dich selbst? 54Antwortete Jesus: wenn ich mich selbst rühme, ist mein Ruhm nichts; es ist mein Vater da, der mich rühmt, von dem ihr saget: unser Gott ist er. 55Und ihr habt ihn nicht erkannt, ich aber kenne ihn. Und wenn ich sage, ich kenne ihn nicht, so werde ich zum Lügner gerade wie ihr. 56Aber ich kenne ihn und halte sein Wort. Abraham euer Vater frohlockte, daß er meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn und freute sich. 57Da sagten die Juden zu ihm: Du hast noch nicht fünfzig Jahre, und hättest Abraham gesehen? 58Sagte Jesus zu ihnen: wahrlich, wahrlich, ich sage euch, ehe Abraham ward, bin ich. 59Da hoben sie Steine auf, ihn zu werfen, Jesus aber verbarg sich und gieng zum Tempel hinaus.

Textbibel des Alten und Neuen Testaments, Emil Kautzsch, Karl Heinrich Weizäcker - 1899

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