Lukas 7
Textbibel 1899
1Nachdem er alle seine Sprüche dem Volke zu Gehör gebracht, gieng er hinein nach Kapernaum.

2Es war aber der kranke Knecht eines Hauptmanns am Sterben, der ihm wert war. 3Da er aber von Jesus hörte, schickte er zu ihm Aelteste der Juden und ließ ihn bitten, zu kommen und seinen Knecht zu retten. 4Als diese aber bei Jesus eintrafen, baten sie ihn angelegentlich und sagten: er ist es wert, daß du ihm das gewährst; 5denn er hat Liebe zu unserem Volk und hat uns sogar unsere Synagoge gebaut. 6Jesus aber gieng mit ihnen. Als er aber schon nicht mehr weit vom Hause war, schickte der Hauptmann Freunde und ließ ihm ausrichten: Herr, mache dir keine Mühe, denn ich bin nicht gut genug, daß du unter mein Dach tretest; 7darum habe ich mich auch selbst nicht würdig geachtet, zu dir zu kommen; aber sprich nur ein Wort, so muß mein Knecht geheilt werden. 8Bin ich doch ein Mensch in untergeordneter Stellung, aber unter mir habe ich Soldaten, und ich sage zu diesem: gehe hin, so geht er, zu einem andern: komme, so kommt er, und zu meinem Knechte: thue das, so thut er es. 9Als aber Jesus dies hörte, wunderte er sich über ihn, und kehrte sich zu der Menge, die ihm folgte, und sprach: ich sage euch: nicht einmal in Israel habe ich solchen Glauben gefunden. 10Und als die Abgesandten in das Haus zurückkehrten, fanden sie den Knecht gesund.

11Und es geschah, am folgenden Tag zog er in eine Stadt mit Namen Nain, und mit ihm zogen seine Jünger und eine große Menge. 12Wie er sich aber dem Stadtthor näherte, siehe da wurde ein Toter herausgetragen, der seiner Mutter einziger Sohn war, und sie war Witwe, und die Leute von der Stadt in großer Zahl begleiteten sie. 13Und als der Herr sie sah, hatte er Mitleiden mit ihr, und sagte zu ihr: weine nicht. 14Und er trat hinzu und berührte den Sarg; die Träger aber standen still und er sprach: Jüngling, ich sage dir: stehe auf! 15Und der Tote setzte sich auf, und fieng an zu reden, und er gab ihn seiner Mutter. 16Es ergriff sie aber alle Furcht, und sie priesen Gott und sprachen: ein großer Prophet ist unter uns erweckt, und: Gott hat sein Volk heimgesucht. 17Und diese Geschichte von ihm gieng aus in ganz Judäa und in der ganzen Umgegend.

18Und es berichteten dem Johannes seine Jünger über das alles. 19Und Johannes berief zwei von seinen Jüngern, und schickte sie zu dem Herrn mit der Botschaft: bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir eines andern warten? 20Als aber die Männer bei ihm eintrafen, sagten sie: Johannes der Täufer hat uns zu dir gesandt und läßt sagen, bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? 21In dieser Stunde hatte er viele von Krankheiten und Plagen und bösen Geistern geheilt, und vielen Blinden das Gesicht geschenkt. 22Und er antwortete ihnen: gehet hin und berichtet dem Johannes, was ihr gesehen und gehört: Blinde sehen wieder, Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote werden erweckt, Armen wird die frohe Botschaft gebracht; 23und selig ist, wer nicht an mir Anstoß nimmt.

24Nachdem sich aber die Boten Johannes' entfernt hatten, begann er zu den Massen zu reden über Johannes: was seid ihr hinausgegangen in die Wüste zu schauen? ein Rohr, das unter dem Winde schwankt? 25Nein, aber was seid ihr hinausgegangen zu sehen? einen Menschen in weiche Gewänder gekleidet? Siehe, die Leute mit herrlicher Kleidung und Wohlleben sind in den Palästen. 26Nein, aber was seid ihr hinausgegangen zu sehen? einen Propheten? Fürwahr, ich sage euch, mehr als einen Propheten.

27Dieser ist es, von dem geschrieben steht: Siehe ich sende meinen Boten vor dir her, der soll deinen Weg bereiten vor dir her.

28Ich sage euch, einen größeren Propheten als Johannes gibt es nicht unter denen, die von Weibern geboren sind. Der kleinste aber im Reich Gottes ist größer denn er. 29(Und das ganze Volk, das zuhörte, und die Zöllner gaben Gott Recht, da sie sich mit der Taufe Johannes' taufen ließen; 30die Pharisäer aber und die Gesetzesleute, die sich nicht von ihm taufen ließen, machten Gottes Willen gegen sie unwirksam, indem sie sich nicht von ihm taufen ließen.)

31Wem soll ich nun die Leute dieses Geschlechts vergleichen? wem sind sie ähnlich? 32Kindern gleichen sie, die auf dem Markte sitzen und einander zurufen, wie es heißt: wir haben euch gepfiffen und ihr habt nicht getanzt; wir haben euch geklagt und ihr habt nicht geweint. 33Denn es kam Johannes der Täufer und aß nicht Brot und trank nicht Wein, da sagt ihr: er hat einen Dämon. 34Es kam der Sohn des Menschen, aß und trank, da sagt ihr: siehe, ein Fresser und Weinsäufer, der Zöllner und Sünder Freund. 35Und die Weisheit ward gerechtfertigt an allen ihren Kindern.

36Es bat ihn aber einer von den Pharisäern zu Tische, und er gieng in das Haus des Pharisäers und setzte sich nieder. 37Und siehe, ein sündiges Weib, die in der Stadt war, die erfuhr, daß er im Hause des Pharisäers zu Tische saß, und kam mit einer Alabasterflasche mit Salbe, 38und sie stellte sich hinten zu seinen Füßen und weinte, fieng an mit den Thränen seine Füße zu netzen, und wischte sie ab mit den Haaren ihres Hauptes, und küßte seine Füße und salbte sie mit der Salbe. 39Als aber der Pharisäer dies sah, der ihn geladen, sprach er bei sich selbst: wenn der ein Prophet wäre, so erkännte er, wer und welcher Art die Frau ist, die ihn anrührt, daß sie eine Sünderin ist.

40Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Simon, ich habe dir etwas zu sagen. Er aber sagt: sprich, Meister. 41Ein Wechsler hatte zwei Schuldner; der eine schuldete fünfhundert Denare, der andere fünfzig. 42Da sie nicht zahlen konnten, schenkte er es beiden. Welcher von ihnen nun wird ihn am meisten lieben? 43Da antwortete Simon: ich denke, der, dem er am meisten geschenkt hat. Er aber sagte zu ihm: du hast recht geurteilt. 44Und indem er sich gegen die Frau wendete, sagte er zu Simon: Siehst du diese Frau? Ich bin in dein Haus gekommen, du hast mir kein Wasser für die Füße gegeben; sie aber hat mir die Füße mit ihren Thränen genetzt und mit ihren Haaren getrocknet. 45Du hast mir keinen Kuß gegeben; sie aber hat von dem Augenblick an, da sie eintrat, nicht nachgelassen, mir die Füße zu küssen. 46Du hast mir das Haupt nicht mit Oel gesalbt; sie aber hat mir die Füße mit Salbe gesalbt. 47Darum sage ich dir, daß ihre vielen Sünden vergeben sind, hat sie ja doch viele Liebe bewiesen: wem dagegen wenig vergeben wird, der liebt wenig. 48Er sprach aber zu ihr: deine Sünden sind dir vergeben. 49Und die Tischgenossen fiengen an bei sich zu sagen: wer ist der, daß er sogar Sünden vergibt? 50Er sprach aber zu der Frau: dein Glaube hat dir geholfen; gehe hin im Frieden.

Textbibel des Alten und Neuen Testaments, Emil Kautzsch, Karl Heinrich Weizäcker - 1899

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