Hiob 22
Textbibel 1899
1Eliphas von Theman antwortete und sprach:

2Kommt etwa Gotte zu gut des Menschen Thun? Nein, nur sich selber nützt der Fromme!

3Hat der Allmächtige einen Vorteil davon, wenn du rechtschaffen bist?, oder einen Gewinn, wenn du unsträflich wandelst?

4Straft er dich etwa wegen deiner Gottesfurcht und zieht dich deshalb vor Gericht?

5Ist deine Missethat nicht groß, und endlos deine Verschuldungen?

6Denn du pfändetest deine Brüder ohne Anlaß und Halbnackten zogst du die Kleider aus.

7Nicht tränktest du mit Wasser den Verschmachteten und dem Hungernden versagtest du das Brot.

8Dem Manne der Faust, ihm gehörte das Land, und der Hochangesehene wohnte darin.

9Witwen schicktest du mit leeren Händen fort, und der Verwaisten Arme wurden zermalmt.

10Deshalb sind rings um dich Schlingen, und ängstigt dich jählings der Schrecken!

11Oder siehst du die Finsternis nicht, und die Wasserflut, die dich bedeckt?

12Ist Gott nicht himmelhoch? Schau der Sterne Gipfel an, wie hoch sie ragen!

13Und da willst du sprechen: "Was weiß denn Gott? Kann er durch Wolkendunkel hindurch Gericht halten?

14Wolken sind seine Hülle, so daß er nicht sieht, und auf des Himmels Kreis lustwandelt er."

15Willst du der Vorwelt Bahn einhalten, die die Männer des Frevels gewandelt sind?

16sie, die gepackt wurden vor der Zeit, deren Grund zu einem Strome zerfloß?

17Die zu Gotte sprachen: "Bleib uns fern!" und was könne ihnen der Allmächtige thun?

18Und doch erfüllte er mit Segen ihre Häuser - der Gottlosen Gesinnung liegt mir fern!

19Es sehen's die Frommen und freuen sich, und der Schuldlose spottet ihrer:

20"Fürwahr, unser Widersacher ist vernichtet, und ihren Überrest hat das Feuer verzehrt!"

21Befreunde dich nicht mit ihm, so wirst du Frieden haben, dadurch kommt Segen über dich.

22Nimm doch aus seinem Munde Belehrung an und birg seine Worte in deinem Herzen.

23Wenn du dich zum Allmächtigen bekehrst, dich demütigst, wenn du die Sünde aus deinem Zelt entfernst -

24ja, wirf in den Staub das Brucherz und zu der Bäche Kieseln das Ophirgold! -

25so wird der Allmächtige dein Erz sein und dir als strahlendes Silber gelten.

26Ja, dann wirst du am Allmächtigen deine Wonne haben und dein Antlitz zu Gott erheben.

27Flehst du zu ihm, so erhört er dich, und deine Gelübde kannst du bezahlen.

28Unternimmst du etwas, so gelingt es dir, und über deinen Wegen strahlet Licht.

29Wenn sie abwärts führen, so rufst du: Empor! und dem Demütigen hilft er.

30Er errettet den Nicht-Schuldlosen: ja, gerettet wird er durch die Reinheit deiner Hände.

Textbibel des Alten und Neuen Testaments, Emil Kautzsch, Karl Heinrich Weizäcker - 1899

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