Psalm 102
Textbibel 1899
1Gebet eines Elenden, wenn er schmachtet und vor Jahwe seine Klage ausschüttet. 2 Jahwe, höre mein Gebet und laß mein Schreien vor dich kommen!

2Verbirg dein Antlitz nicht vor mir, wenn mir angst ist! Neige dein Ohr zu mir; wenn ich rufe, eilends erhöre mich!

3Denn meine Tage sind wie ein Rauch verschwunden, und meine Gebeine sind wie von Brand durchglüht.

4Mein Herz ward versengt und verdorrte wie Gras; denn ich vergesse, mein Brot zu essen.

5Von meinem lauten Stöhnen klebt mein Gebein an meinem Fleisch.

6Ich gleiche dem Pelikan in der Wüste, bin wie ein Käuzlein in Ruinen.

7Ich bin schlaflos und klage wie ein einsamer Vogel auf dem Dach.

8Unaufhörlich lästern mich meine Feinde; die wider mich toben, schwören bei mir.

9Denn ich esse Asche wie Brot und mische meinen Trank mit Thränen

10wegen deines Grimms und deines Zorns; denn du hast mich emporgehoben und hingeschleudert.

11Meine Tage gleichen einem langgestreckten Schatten, und ich verdorre wie Gras.

12Du aber, Jahwe, thronst ewig, und dein Name währt durch alle Geschlechter.

13Du wirst dich erheben, dich Zions zu erbarmen; denn es ist Zeit, sie zu begnadigen, denn die ihr bestimmte Frist ist eingetreten.

14Denn deine Knechte hängen mit Liebe an ihren Steinen und jammern über ihren Schutt.

15Und die Heiden werden den Namen Jahwes fürchten, und alle Könige der Erde deine Herrlichkeit,

16weil Jahwe Zion wieder aufgebaut hat, erschienen ist in seiner Herrlichkeit,

17sich dem Gebete des Nackten zugewendet und ihr Gebet nicht verschmäht hat.

18Aufgeschrieben werde solches vom kommenden Geschlecht, und das Volk, das geschaffen werden soll, preise Jahwe,

19daß er von seiner heiligen Höhe herabgeschaut, Jahwe vom Himmel auf die Erde geblickt hat,

20um das Seufzen des Gefangenen zu hören, die dem Tode Verfallenen loszumachen,

21daß man in Zion den Namen Jahwes verkünde und seinen Ruhm in Jerusalem,

22wenn sich die Völker allzumal versammeln und die Königreiche, um Jahwe zu dienen.

23Er hat auf dem Wege meine Kraft gebeugt, meine Lebenstage verkürzt.

24Ich spreche: Mein Gott, nimm mich nicht hinweg in der Hälfte meiner Tage, du, dessen Jahre durch alle Geschlechter währen.

25Du hast vor Zeiten die Erde gegründet, und der Himmel ist deiner Hände Werk.

26Sie werden vergehen, du aber bleibst: Sie werden insgesamt wie ein Gewand zerfallen; wie ein Kleid wirst du sie wechseln, und sie werden dahinfahren.

27Du aber bist derselbe, und deine Jahre nehmen kein Ende.

28Die Kinder deiner Knechte werden sicher wohnen, und ihre Nachkommen beständig vor dir bleiben.

Textbibel des Alten und Neuen Testaments, Emil Kautzsch, Karl Heinrich Weizäcker - 1899

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